Blick ins Archiv
Ab zum Überlaufbecken:
Noch eben eine Runde drehen
Laut Google-Maps braucht es vom Neubergerweg in Hamburg-Langenhorn bis zum Regenrückhaltebecken zehn Minuten zu Fuß. Einmal herum und zurück nach Hause: knappe 30 Minuten. Für die Schmidts war das ein häufig gewählter Spaziergang. Ein Foto zeigt Helmut Schmidt Ende Januar 1984 am – so nannten sie es – Überlaufbecken beim Enten- und Schwänefüttern.
Ein Blick ins Archiv.
Wunderschön und unspektakulär
Der Mensch braucht eine Runde. So eine Spaziergehrunde, die man dreht, um mal kurz rauszukommen, durchzulüften. Auch die Schmidts hatten so eine Runde. Durch die Kleingärten, am Bornbach entlang, zum Überlaufbecken und zurück. „Überlaufbecken“ – allein dieses Wort beschreibt doch wunderschön das Unspektakuläre dieser Standardrunde. Das kommt in keinem Touristenführer vor. Und doch kann so ein Ort große Bedeutung bekommen. Weil er dem hektischen Alltag ein so überschaubares Gegengewicht bietet: Ruhe, Einkehr, Beständigkeit.
Deshalb hat es das Überlaufbecken wohl auch in die Fotoalben der Schmidts geschafft. Ende Januar 1984 füttert Helmut Schmidt dort einen Schwan. Man könnte das jetzt überhöhen. Furchtlos lässt der Altkanzler das majestätische Tier ganz dicht an sich heran. Aber wahrscheinlich war es doch einfach so: Ein Ehepaar macht einen Spaziergang, der Mann verfüttert das mitgebrachte Brot an einen Schwan und mehrere Enten. Es dürfte für Schmidt auch mal angenehm gewesen sein, genau so wahrgenommen zu werden: nicht als ehemaliger Bundeskanzler, sondern als freundlicher Mensch mit Brottüte. Mehr wird den Schwan nicht interessiert haben.
Spaziergang mit der Zeit
Ende Januar 1984 war Schmidt noch im Bundestag und gerade ein Jahr Mitherausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“. Eben diesem Medium hatte seine Frau Loki ein weiteres Jahr zuvor, im Sommer 1982 ein, Interview gegeben. „Spaziergänge mit Prominenten“, hieß die Rubrik. Loki Schmidt nahm den Zeit-Redakteur Ben Witter für diesen Gesprächs-Spaziergang mit zum Überlaufbecken in Langenhorn. In dem Artikel sagt sie über den Ort: „Er ist wie ein kleiner See, und durch Ausbaggern ist sogar noch eine kleine Insel entstanden. Klein bei klein: Enten, Kinder und Badehosen.“
An dem Tag auf dem Bild aus dem Fotoalbum sind da nur die Enten, keine Kinder, keine Badehosen. Aber so ist es mit der Spaziergehrunde vor der Haustür. Sie ändert sich mit den Jahreszeiten. Manchmal nimmt man jemanden mit und spricht über Wunschberufe, Falten, dünne Haare. Meistens aber ist es ganz unspektakulär und deshalb so schön. Jeder Mensch braucht irgendwo so eine Runde.
Fotos: Helmut-Schmidt-Archiv